Hier geht es zurück Angies Welt
Sarah sah hinunter in die dunkele Tiefe des kleinen Sees. Was erhoffte sie zu sehen? Die Mutter, die plötzlich, einer Nixe gleich, die Wellen durchbricht und sie in die Arme schloss? Mit ihr nach Hause zum Vater geht, so, als sei nie etwas geschehen?
In zahlreichen Träumen hörte sie die Stimme der Mutter, die vor fünf Jahre, hier am See, spurlos verschwand.
Immer und immer wieder vernahm sie diese Worte:" “Sarah, sei nicht traurig. An deinem sechzehnten Geburtstag wird etwas wunderbares geschehen. Komme dann zum See und warte dort auf ein Zeichen."
Nur Sarah allein  wusste, was vor fünf Jahren wirklich geschah.Sie hatte den Mann gesehen, der ihre Mutter bei der Hand nahm und mit ihr über den See davon ging, so, als sei das Wasser unter ihren Füßen überhaupt nicht vorhanden. Niemand wollte ihr glauben. Sie war gerade elf Jahre alt, ein Kind noch, dass sich hinter einem Märchen verkroch und so den Tod der Mutter verarbeitet. Das jedenfalls sagten die Psychologen, die Sarah behandelten.
Sarah wurde ungeduldig. Warum passierte nichts? Hatte der Vater recht wenn er sagt, dass alles nur ein Hirngespinst sei?
Unbeweglich, wie eine Statue stand sie am Rand des Sees und lauschte. Kein Vogel zwitscherte, kein rascheln der Blätter in den Bäumen. –Nichts.
Sarah schaute sich um. Hatte sich da hinten, im dichten Wald nicht etwas bewegt?
"“Hallo! Ist dort jemand? - Antworte!“"
Eine kleine Gestalt löste sich aus dem Schatten einer Eiche und trat hinter dem dicken Baumstamm hervor. der Größe nach ein Kind, höchstens acht oder neun Jahre alt.
Es stand einen Augeblick schweigend da, kam dann aber mit tapsigen Schritten auf Sarah zu. Die viel zu kurzen Beine machten nur kleine Schritte und der Gang wirkte wie das Watscheln einer Ente.
Sarah konnte sich das Lachen nicht verkneifen, doch je näher die Gestalt kam und das Gesicht immer klarere Konturen annahm, um so deutlicher erkannte sie, dass es kein Kind war. Vor ihr stand ein reifer und ausgewachsener Mann. War er ein Zwerg?
Ein spitzer Bart umrahmte das Kinn, die Haut war faltig. Kleine, spitze Ohren, die ein wenig vom Kopf abstanden und eine dicke, knollenförmige Nase, gaben der Gestalt noch zusätzlich ein groteskes Aussehen.
Halb hüpfend, halb laufend hatte er den Weg vom Rande des Waldes bis hin zum See überwunden.
"“Wer bist du?“", fragte Sarah noch immer belustigt.
"“Ich bin Sakro, ein Elf aus der Welt Fantamas. Deine Mutter hat mich geschickt und ich soll dir von ihr etwas ausrichten." Mürrisch sah er das Mädchen an. "Und lache nicht so unverschämt!"
“"Meine Mutter? Wo ist sie?“"
Aufgeregt sah Sarah sich um. Sie beugte sich zu Sakro hinunter und schüttelte den kleinen Körper so heftig, dass er aus dem Gleichgewicht geriet und zu Boden fiel.
“"Tut mir leid.“" Reumütig streckte Sarah ihm die Hand entgegen und half ihm wieder auf die Beine.
“"Schon gut. Schon guuut!"“ Ärgerlich sah der Elf sie an. Dann starrte er hinüber zum See.
"Gleich wird es geschehen! Schnell, schnell! Wir müssen fort.“" Sakro griff nach ihrer Hand, wollte Sarah fortziehen. Doch sie schüttelte ihn ab. "“Was soll das? Sag mir lieber was du mir von meiner Mutter ausrichten sollst? Wo ist sie? Sprich endlich!"
"Deine Mutter ist dort oben.“ Der Zwerg zeigte mit seinem kleinen Zeigerfinger zum Berg hinauf, auf dessen Spitze die Ruinen eines alten Schlosses standen.
"“Du erinnerst dich doch noch an den Mann, der damals deine Mutter holte?“" Sarah nickte stumm.
“"Das war Zadorak, der Zauberer und Herrscher von Fantamas. Deine Mutter sollte ihm neue Zauberkraft verschaffen. Das ist aber nur möglich, wenn sie Zadorak zum Mann nimmt und er in der Hochzeitsnacht, mit einem Kuss beim Liebesspiel, ihre Zauberkraft hätte in sich aufsaugen können. Doch deine Mutter hat sich all die Jahre geweigert." Der Elf machte eine kurze Pause, dabei sah er sich immer wieder ängstlich um.
"“Seit dem", fuhr er fort, "hält er sie gefangen. Solange bis sie endlich "Ja" sagt, oder bis eine andere Frau ihm die Zauberkraft geben kann die deine Mutter besitzt.“" Atemlos, aber voller Stolz über sein Wissen stemmte er seine kleinen Arme in die Hüften.
"“Ich verstehe nichts! Zauberkraft? Meine Mutter eine Zauberin? Unsinn!“" Ungläubig sah sie den kleinen Mann an?" “Und außerdem - siehst du nicht, dass dort oben nur noch die Ruinen des Schlosses stehen?"
Sarah deutete zur Bergspitze hinauf, wo noch ein paar Ruinen auf das Gemäuer eines alten Schloss oder einer Burg hindeuteten. "Wie kann meine Mutter da wohnen? Ich glaube dir kein Wort.“"
Doch sie bekam keine Antwort. Sakro schaute erneut zum See hinüber. Er schien nervös und beunruhigt zu sein.
Sarah folgte seinen Blicken und auch sie sah den Nebel, der in kleinen Schwaden über dem Wasser aufstieg und langsam auf sie zu kroch.
"“Schau genau hin. Siehst du den Nebel dort? Siehst du die Farben?“" Das Gesicht des kleinen Mannes entspannte sich etwas.
Sarah hatte verwundert festgestellt, dass der Dunst, der sie in wenigen Augenblicken einhüllen würde, eine merkwürdige rosa-violette Färbung annahm. "Ja ich sehe es. Was hat das zu bedeuten?“"
“"Komm lass uns gehen. Wir müssen schnell weg von hier. Es ist der Nebel der Hypnose und Magie. Wenn er dich erst einmal umhüllt, gibt es kein zurück mehr!" Wieder versuchte der Elf nach Sarah's Hand zu greifen.
“"Bitte sage mir die Wahrheit. Was geschieht hier und was hat das alles mit mir zu tun?“"
“"Ist ja schon gut.“" Sarko wurde langsam unruhig.
“"Es bleibt nicht mehr viel Zeit, Sarah,"“ begann er zögernd. Unruhig hüpfte er von einem Bein auf das andere." “Deine Mutter ist eine Zauberin. Nein, nicht so eine wie du denkst. Sie besitzt Zauberkräfte, die in eurer Welt kaum Nutzen bringen. Doch auf der anderen Seite.....“"
“"Welche andere Seite?"“ Sarah sah ihn fragend an.
"“Das ist die Seite hinter dem Nebel. Es gibt dort das Land der Elfen, Fantamas genannt, aber auch eine dunkele Schattenwelt. Zadorak ist der eigentliche Herrscher, doch seit sich das Elfenland und die Unterwelt nicht mehr bekämpfen, hat er keine Macht mehr über uns." Sakro machte eine kurze Pause. Und sah wieder ängstlich zu dem bedrohlichen Nebel.
"Er besitzt nicht mehr genügend Zauberkraft um den golden Paladin, der ihn am Fuße seines Schlosses bewacht, zu besiegen. Er braucht die Zauberkraft und die Magie von Heyanas. Deine Mutter ist so eine Heyana. Und seit heute, an deinem sechzehnten Geburtstag, gehörst auch du zu ihnen. Da deine Mutter sich weigert ihm freiwillig diese Kraft zu übertragen, will Zadorak nun dich haben.“"
“"Ich verstehe das nicht!"“ Sarah konnte den Worten Sakros nicht mehr folgen. Bunte Farben tanzten vor ihren Augen, sie fühlte sich federleicht und schien zu schweben.
“"Sakro wo bist du?“" Suchend sah sie sich um. Doch der Elf war verschwunden.
"“Sakro, sag doch was? Was geschieht mit mir?“" Es kam keine Antwort. Nur von ganz fern her, glaubte sie die Stimme der Mutter zu hören. Rief sie ihren Namen?
"Sarah! Sarah! Du bist in Gefahr! Komm nicht zum Schloss, sonst sind wir für immer verloren!" Undeutlich nur vernahm sie die Worte der Mutter.

Langsam verschwand der Nebel wieder. Vorsichtig blinzelnd öffnete Sarah die Augen. Suchend sah sie sich um, der Nebel und auch Sakro waren verschwunden.
Hatte sie alles nur geträumt? Aber wo war der See, an dem sie vor wenigen Sekunden noch gestanden hatte? Weshalb war er nicht mehr da, wo er eigentlich sein sollte?
Sarah konnte in der Ferne kleine Lehmhütten erkennen, die mit Gras bedeckt waren. Oberhalb eines kleinen Hügels, zwischen den Blättern der Bäume, waren winzige Häuser, nicht größer als ein Puppenhaus zu erkennen.
Vorsichtig ging sie auf die kleine Ansiedlung zu, nahm alles um sich herum mit verwunderten Augen war. Der riesige Turm aus roten Backsteinen weckte ihr besonderes Interesse. Er war um ein vielfaches größer als die anderen Häuser ringsum und noch während sie überlegte, ob hier überhaupt Menschen wohnten, trat ein Mann in einer blauen Kutte vor die Tür seiner Hütte.
Sarah musterte das Gesicht des Mannes. Er hatte lange weiße Haare und einen fast genau so langen Bart. Seine freundlichen Augen schienen immer ein wenig zu zwinkern. Offensichtlich war ein Mönch oder so was ähnliches.
Freundlich winkte der Alte ihr zu. "Komm ruhig näher, Sarah. Wir haben dich schon erwartet. Hab keine Angst, wir stehen auf deiner Seite, auch wenn du besser in deiner Welt geblieben wärst."
Der Alte musterte Sarah unverhohlen. "Aber nun bist du hier und wir müssen das tun, was wir bei allen Heyanas tun müssen.“"
Sarah ging auf den alten Mann zu, blieb nochmals einen Augenblick zögernd stehen, ehe sie weiter ging.
Eine tiefe Lehmgrube, links am Wegesrand, weckte ihr Interesse. Weshalb hatte man ein Holzgatter um die Grube errichtet? Sie schaute hinunter, wich erschrocken und zugleich überrascht zurück. Trat dann aber, von Neugier getrieben, näher heran.
Ungefähr zwei Meter unter ihr stand ein kleines, weißes Pferd. Eigentlich nichts besonderes, doch dieses Pferd hatte ein goldenes Horn auf der Stirn. Es war wahrhaftig ein Einhorn, dass Sarah nun mit treuen Augen entgegen blickte.
Der alte Mann wurde langsam ungeduldig. "“Nun komm Sarah, die Zeit wird knapp. Du kannst dir alles später ansehen, wenn du wieder zurück kommst.“"
"“Falls du jemals wieder zurückkommst,“" setzte er leise hinzu, so, dass Sarah es nicht hören konnte.
Er führte das Mädchen in eine große, mit Kerzen beleuchtete Halle. Bunte Malereien an den Wänden strahlten eine verzaubernde Atmosphäre aus. In der Mitte stand ein riesiger Altar, um den herum weitere Männer standen. Doch trugen diese statt einer blauen, eine braune Kutte.
Sangori, der Sarah nun mitteilte, dass er wirklich ein Mönch und gleichzeitig auch der oberste Druide von „Fantamas“ war, schob sie behutsam aber bestimmend zum Altar.
Hier musste sie sich auf einer mit Gold verzierten Marmorplatte legen. "Hab keine Angst. Es wird dir nichts passieren," beruhigte der Alte sie.
Sarah schloss die Augen, lauschte dem Singsang des Druiden und wenige Minuten später war die Zeremonie vorüber.
"“Du kannst jetzt aufstehen Sarah. Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?", fragte er. "Noch haben wir die Möglichkeit dich in deine Welt zurückzuschicken.“"
Kopfschüttelnd erhob sich das Mädchen. "Nein, ich möchte meiner Mutter beistehen."
“"Nun gut. Dann nimm das mit."“ Der Druide reichte ihr einen kleinen Beutel. "“Du bist jetzt eine Heyana. In der Tasche befinden sich einige Dinge, die du Dank deiner nun vorhandenen Zauberkraft benutzen kannst. Aber sei vorsichtig, teile dir diese Kraft gut ein.“"
Er fasste Sarah bei den Schultern und schob sie zur Tür hinaus. "
“Gehe einfach immer den Weg entlang und sei auf der Hut, wenn du die Grenzen zur Unterwelt überschritten hast. Mächte der dunklen Welt, Feinde von Zadorak, aber auch unsere Feinde, werden versuchen dich daran zu hindern, das Schloss zu erreichen.“"
Sarah trat hinaus und ging langsam den Weg entlang Richtung Norden. Als sie das Dorf verließ, stellte sie fest, dass es plötzlich zum Leben erwachte. Kleine, hübsche weibliche Elfen umschwirrten die Baumhäuser. Zwerge in roten und blauen Kittel standen vor ihren Lehmhütten. Die Axt im Arm, wirkten sie wie Kampfzwerge, die zu allem entschlossen waren.
Auf dem Schießplatz, direkt neben dem Turm, übten Bogenschützen mit ihren Pfeilen genau ins Schwarze zu treffen und oben auf dem Turm hockte ein riesiger Vogel. Er schien alles zu überwachen. Sein Gefieder glitzerte wie rotes Gold im Sonnenlicht. Sarah konnte nicht wissen, das es sich um einen Phönix handelte.
Ohne sich noch einmal umzusehen verließ sie das kleine Dorf. Nach einigen Meilen blieb sie vor einer kleinen Holzbrücke stehen.
Übergangslos hatte sich die Landschaft verändert. Auf der anderen Seite der Brücke konnte sie nur trocknes, rissiges Ödland erkennen, während sich auf dieser Seite, auf der sie stand, saftig grüne Wiesen und bunte Blumen die Landschaft prägten.
Ein schabendes Geräusche weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie kannte diese Töne vom Reiterhof. Immer, wenn die Pferde nervös und unruhig wurden, begannen sie mit den Vorderhufen zu schaben.
Sarah sah sich um. Einige Meter von ihr entfernt weidete, von ihr bisher unbemerkt, eine Herde Pferde. Doch da, wo eigentlich ein langer kräftiger Hals mit Pferdkopf sein sollte, befand sich bei diesen Geschöpfen nur ein kurzer, kräftiger Nacken mit einem bärtigen Männerkopf darauf.
Sarah fiel es wie Schuppen von den Augen. Es waren Zentauren, jene Fabelwesen von denen sie schon so oft voller Faszination gelesen hatte. Sie konnte vor Begeisterung ihren Blick kaum von den Tiermenschen wenden. So bemerkte sie auch nicht die kräftigen Hände, die nach ihren Beinen griffen.
Sarah schrie auf. Das wütende Gebrüll, das aus dem ausgetrockneten Flussbett erschall, machte ihr Angst.
Mit aller Kraft trat sie zu und versuchte den Angreifer abzuschütteln.
Der Griff lockerte sich und Sarah glaubte schon der Albtraum sei zu Ende, als plötzlich eine Gestalt aus der Tiefe empor schoss. Fast wäre sie durch den Zusammenprall mit dem Koloss zu Boden gestürzt. Vor ihr stand ein Zyklop. Das riesige Auge, das sich mitten auf der Stirn befand, funkelte sie kampfeslustig an. In panischer Angst lief sie davon.
Sie rannte, rannte immer nur weiter und weiter, ohne sich umzusehen. Erst viel später, als die Füße ihr nicht mehr gehorchen wollten und die Landschaft sich wieder einmal übergangslos verändert hatte, blieb sie stehen. Erleichterte stellte sie fest, dass sie den Verfolger abgehängt hatte.
Auf ihrer Flucht hatte sie zum Glück nicht bemerkt, dass eine Gruppe Nomaden, mit Messern bewaffnet, sie auf Schritt und Tritt verfolgten. Wahrscheinlich wäre sie vor Schreck endgültig in Ohnmacht gefallen.
Erst als Sarah das Ödland verließ, wichen sie zurück. Ärgerlich darüber, dass sie die Mädchen nicht in ihrer Gewalt bringen konnten.
Auch der ungleiche Kampf an der Brücke zwischen den Zentauren und dem Zyklopen, hatte Sarah in ihrer panischen Angst nicht mehr mitbekommen. Nur den Pferdmenschen hatte sie es zu verdanken, das der Riese ihr nicht folgte.
Sarah wird diese Fabelwesen nie wieder bewundern können. Einer nach dem anderen starb unter den tödlichen Blitzen, die wie Pfeile aus dem Auge des Zyklopen schossen.
Nach einer kurzen Pause raffte Sarah sich wieder auf, denn sie wollte dieses dunkele, ungastliche Land schnell hinter sich lassen. Die schwarze Asche, die den Boden bedeckte und das Landschaftsbild nun prägte, brannte ihr unter den Füßen. Rundherum gab es nur Berge, die unaufhörlich Lava wie ein feuerspeiender Drache aus ihren Kratern hinausschleuderten.
Sarah durchquerte die dunkele Vulkanwelt ohne Zwischenfälle und nun stand sie endlich am Fuße des Berges, auf dessen Spitze das Schloss wie ein drohendes Ungeheuer hervorragte. Nur noch wenige Minuten, dann würde sie es erreicht haben. Sie sah sich noch einmal um. Wollte sicher gehen, dass ihr auf den letzten Metern keine Gefahr mehr droht.
Für wenige Augenblicke galt ihre Aufmerksamkeit der Burg, die einige hundert Meter vor ihr wie eine riesige, schützende Festung stand. Hier also lebte der sagenhafte, goldene Paladin.
Nun hatte sie endgültig das Gefühl, das ihr nichts mehr passieren konnte, denn auf den Wachtürmen sah Sarah riesige Titanen, Männer mit Hellebarden und Piken in der Hand, und Bogenschützen, die Stellung bezogen.
Ein Ritter in goldener Rüstung trat vor das Burgtor. Er hob sein riesiges, kunstvoll geschmiedetes Schwert und bedeute ihr damit den Aufstieg zum Schloss zu beginnen.
Sarah nickte, winkte dem Ritter in seiner goldenen Rüstung zu und begann mit dem beschwerlichen Aufstieg.
Es dauerte noch einige Zeit bis sie endlich das Tor zum Schlosshof durchschritt. Ihr Weg war nun zu Ende und ihr Schicksal würde sich hier entscheiden.
Vor dem Eingang zum Hauptgebäude, da wo sie ihre Mutter vermutete, standen zwei merkwürdige Kreaturen die ihr den Zutritt verwerten. Eine Hydra, die immer wieder einen ihrer drei Köpfe nach vorn stieß, erschien Sarah am gefährlichsten. Zischend versuchte das Ungeheuer Gift nach ihr zu speien, um sie zu lähmen.
Rechts, neben dem dreiköpfigen Wesen, lauerte ein wolfähnliches Geschöpf. Zähnefletschend wartete es darauf, sich auf Sarah stürzen zu können, um die verlockende Beute zu zerfleischen.
Sarah fiel der kleinen Beutel ein, den sie bei sich trug.
In ihrer Verzweiflung griff sie hinein. Sie förderte etwas kaltes, rundes zu Tage. Ohne lange zu zögern schleuderte sie die kleine weiße Kugel mit aller Kraft auf die Hydra. Alle drei Köpfe des Untiers hielten in ihrer Bewegung inne und erstarrten plötzlich zu Eis. Doch den Wolf, oder was auch immer es war, wurde nun seinerseits aktiv, wirkte sehr zornig, was ihn noch gefährlicher machte.
Mit einem riesigen Satz sprang er auf Sarah zu. Blitzschnell griff sie wieder in den Beutel. Feinglitzernder Staub lag plötzlich in ihrer Hand. Es blieben ihr nur noch Sekunden und die Bestie würde sie unter sich begraben und sie genussvoll verspeisen.
Ahnungslos darüber, was dieser Goldstaub bewirken konnte, blies sie es dem Tier entgegen. Kaum das der Staub das Wolfswesen bedeckte, begann er sich aufzulösen. Nur ein kleines Häufchen Asche blieb zurück. Verächtlich trat Sarah mit den Füßen danach.
Mit schweren Schritten ging Sarah auf die Eingangstür zu. Sie fühlte sich müde und schlapp. Offensichtlich hatte das Benutzen der Zaubermittel ihren Körper ausgelaugt. Mit letzter Kraft versuchte sie die schwere Eichentür zu öffnen. Sie zog und zog. Die Tür bewegte sich jedoch nicht einen Spalt breit.
Erschöpft machte sie eine Pause um neue Kraft zu sammeln. Plötzlich sprang die Tür wie von Geisterhand betätigt auf. Vorsichtig trat Sarah hinein. Sofort erkannte sie die Mutter, die in der Mitte der großen Eingangshalle stand und eilte zu ihr.
"“Komm Mutter, lass uns nach Hause gehen. Vater wird Augen machen.“" Wie ein kleines Kind zerrte Sarah an den Händen der Mutter.
Die Mutter blieb jedoch reglos stehen. Ließ sich nicht einen Zoll weit bewegen. Ihre Augen blickten ängstlich zur anderen Seite der Halle. Sarah folgte ihren Blicken.
Und da stand er, der Mann, der Schuld daran war, dass sie fünf Jahre ohne die Mutter leben, sie nicht sehen konnte.
Wie damals, trug er wieder diesen merkwürdigen, giftgrünen Anzug, der viel zu groß war und nur dazu diente, seinen hageren Körper zu bedecken. Seine Beine, dürr wie Stelzen steckten in merkwürdige, riesengroße Schuhe und der alte , speckige Zylinder auf dem Kopf fehlte ebenfalls nicht.
Sarah verspürte einen unbändigen Hass, als sie in das schmale Gesicht mit dem spitzen Kinn und der Adlernase sah. Zadorak’s kleinen, listigen Augen hielten Sarahs zornigen, Mordlust versprühenden Blicken stand.
Zadorak verbeugte sich theatralisch vor Sarah. Der gut einen halben Meter hohe Zylinder blieb dabei fest auf seinem Kopf haften, wie angewachsen.
“"Hallo Sarah! Schön das du da bist."“ Langsam ging er auf Mutter und Tochter zu. "Deine Mutter kann jetzt nach Hause gehen, sie ist frei. Du aber wirst bleiben."“ Seine Stimme schien keinen Widerspruch zu dulden.
“"Nein Zadorak. Ich werde nicht bleiben. Du machst mir keine Angst!“" Sarah nahm die Hand der Mutter und drängte sie zum Ausgang.
Als sie die Tür öffnen wollte, wurde sie je zurückgerissen. Etwas schien nach ihr zu greifen und wickelte sich wie ein Strick um ihren Hals. Mit einem kräftigen Ruck wurde sie von der Mutter getrennt.
Als Zadorak erkannte, wie ernst dieses Mädchen es meint, musste er handeln. Wie bei einem Frosch schoss ihm plötzlich die Zunge aus dem Mund, die immer länger und länger wurde, bis sie Sarahs Hals umwickelt hatte. Dann ließ er von ihr ab, doch Sarah hatte keine Chance zu reagieren. Blitzschnell stieß Zadorak zu. Die Zunge drang tief in den Mund des Mädchens.
Sarah verspürte nicht die Spur von Abscheu. Unfähig sich zu wehren, ließ sie es geschehen. Ein Glücksgefühl, dass sie nicht einordnen konnte, machte sich in ihr breit. Willenlos ließ sie zu, dass Zadorak die Zauberkraft langsam aus ihrem Körper saugt.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich ein Ritter in goldener Rüstung auf und riss Sarah von dem Mann, in dessen Bann sie sich befand, fort. Noch ehe der Zauberer reagieren konnte, hieb er mit seinem riesigen Schwert auf ihn ein. Der Ritter traf den Hals Mannes und durchtrennte ihn. Wie ein Fußball fiel der Kopf zu Boden, und rollte einige Meter weit über die Marmorfliesen.
Hände griffen nach Sarah, die von der grauenhaften Szene nichts mitbekam und zehrten sie ins Freie. Doch schon im Schlosshof schien die Flucht erneut zu enden.
Syrkaya, in Menschengestalt ein wunderschönes Mädchen und die Tochter des Zauberers, tauchte wie aus dem Nichts als riesengroßer, schwarzer Drache am dunklen Horizont auf. Ängstliche, den Tod vor Augen starrte die kleine Gruppe zum Himmel.
Doch was war das? Völlig unerwartet brach das Ungetüm seinen Flug ab und konzentrierte sich auf einen scheinbar neuen Gegner, der sich ihm mit rasender Geschwindigkeit näherte.
Ein großer, roter Vogel mit goldenen Schwingen kam den Flüchtenden zur Hilfe. Kaum, dass er in Reichweite des Drachenkopfes kam, stieß er mit seinem Schnabel kraftvoll zu und traf das Ungeheuer tödlich. Noch ein letztes Mal schossen die tödlichen Flammen aus dem riesigen Maul.
Entsetzt sah Sarah, dass der Phönix, vom Feuer getroffen zu Boden sank und zerfiel. Nur noch feiner rot-goldener Staub blieb am Boden zurück. Tränen der Wut und Trauer rannen ihr über die Wangen. Sie starrte auf das, was noch vor wenigen Minuten ein stolzer Vogel war. Als Sarah zu ihm hingehen wollte, stellte sich ihr der golden Ritter in den Weg. Wieder deutet er mit dem Schwert an, dass sie nun gehen solle. Sie wusste es hatte keinen Sinn zu wiedersprechen, ging zur Mutter und gemeinsam verließen sie das Schloss.
Erst als sie am Fuße des Berges ankam blieb sie stehen blickten noch einmal hinauf. Nur ein zerfallenes, altes Gemäuer war zu erkennen, über dem ein großer roter Vogel kreiste. Und vor ihnen lag ein kleiner, ruhiger See der zum Träumen einlud. 

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Sarah und der Zauberer von Fantamas (C) 2004 by Heinz Oh. - Online seit:10.01.2004 - Klicks heute:3 - Klicks gesamt:1617.